Hautfarben beschreiben - Ja oder Nein? Wie und Warum?
Equal Writing

Hautfarben beschreiben: Ja oder nein? Wie und warum?

In der Autor*innenwelt wird das Thema »Hautfarben beschreiben« immer wieder heiß diskutiert. Manche Autor*innen beschreiben strikt keine Hautfarben, damit sich die Lesenden selbst ein Bild machen können. Andere Autor*innen beschreiben sie mit den kreativsten und faszinierendsten Wörtern. Warum beides ein Problem darstellen kann und wie du dieses lösen kannst, erfährst du in diesem Artikel.

Die 3 Hauptgründe, warum Autor*innen keine Hautfarben beschreiben

#1 Angst, unsensibel zu schreiben.

Diese Angst setzt voraus, dass es uns nicht egal ist, ob wir Menschen mit unseren Texten verletzen oder nicht. Das ist nichts Schlimmes, wir müssen uns dafür also nicht schämen. Es sei denn, die Angst dreht sich lediglich um einen potenziellen Shitstorm. Aber ich gehe mal ganz frech davon aus, dass die Lesenden, die auf meine Seite finden, an mehr interessiert sind als der Vermeidung eines Shitstorms. Klar, auch das hängt damit zusammen. Aber das sensible Schreiben ist nicht so einfach und ich denke, dass es kaum möglich ist, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, ohne eine tiefere Motivation zu haben. Ohne anzuerkennen, dass die Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen wichtig ist.

Die Angst, jemanden mit dem problematischen Beschreiben der Hautfarben zu verletzen, ist natürlich nicht unberechtigt. Zugleich gibt es inzwischen Mittel und Wege, das zu vermeiden. Den ersten Schritt hast du schon einmal getan — du betreibst Recherche, indem du hier gelandet bist. Der nächste Schritt ist ein Sensitivity Reading in Anspruch zu nehmen. Ja, auch das liegt preislich knapp unter einem Inhaltslektorat, aber vergiss bitte nicht, dass es Möglichkeiten gibt, zu verhandeln, wenn du das finanziell nicht tragen kannst, zum Beispiel, nur die Seiten gegenlesen zu lassen, bei denen du beim Beschreiben der Hautfarbe unsicher bist.

#2 Es gibt grundsätzlich keine äußerlichen Beschreibungen.

Die Beschreibung von Äußerlichkeiten ist kein Muss. Stephen King behauptet, keine Figuren zu beschreiben. Dann könnte es durchaus seltsam sein, wenn allein die Hautfarbe beschrieben wird. Es sei denn, es geht direkt um Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe.

#3 Leser*innen sollen sich die Hautfarben selbst vorstellen.

Solange dies nicht unter den zweiten Grund fällt und andere Äußerlichkeiten wie Haarfarben beschrieben werden, ist das nicht besonders aufrichtig. Warum bekommen Lesende Haarfarbe und Augenfarbe vorgelegt, aber nicht die Hautfarbe? Das funktioniert außerdem nicht so einfach — so haben Menschen mit blauen oder grünen Augen, die nicht mixed sind, selten dunkelbraune Haut. Je nachdem, in welcher Welt, in welchem Genre wir uns befinden, ist dieser Grund auch etwas einfach gedacht, da die Farbe der Haut oft mit Diskriminierung verbunden ist. Wenn es sich um eine Liebesgeschichte oder einen Thriller in hiesiger Welt handelt, gehören auch andere Merkmale dazu. Hautfarbe ist nicht nur eine äußerliche Beschreibung. Es macht etwas mit Menschen, wenn sie ihr Leben lang »anders« gesehen, unsichtbar gemacht oder marginalisiert werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt, warum es schwierig ist, Hautfarbe nicht zu beschreiben und sie der Vorstellung der Lesenden zu überlassen, ist, dass die meisten Menschen sich automatisch weiße Menschen vorstellen.

Warum stellen wir uns automatisch weiße Menschen vor?

Ich benutze bewusst das Wort »wir«. Weiße Menschen, aber auch BIPoC stellen sich überwiegend weiße Menschen beim Lesen vor, weil wir es nicht anders kennen. Die meisten Held*innengeschichten handeln von weißen Menschen und dieses Bild sitzt tief. Bei uns allen. Wenn wir also etwas lesen, stellen wir uns zuerst das Bild vor, womit uns die Literatur geprägt hat. Damit verwoben ist auch der kritische Begriff »Colour Blindness«. Die Hautfarbe der Charaktere kann in einer ähnlichen Gesellschaft wie unserer nicht gleichgültig sein, da sie es auch in unserem Alltag nicht ist. BIPoC werden aufgrund ihrer Hautfarben diskriminiert und haben damit andere Lebensrealitäten. Fakt. Wenn du also sagst, dass deine Leserschaft selbst Hautfarben zuteilen soll, werden die meisten deine Figuren weiß sehen.

Von wem sollte ich die Hautfarbe beschreiben?

Wenn Hautfarben beschrieben werden, sollten wir darauf achten, kein Othering zu betreiben. Mit Othering heben wir hervor, dass ein Mensch »anders« ist, was impliziert, dass der Stimme des*der Autor*in eine Normsicht unterliegt, die sie in die Welt trägt. Wenn wir zum Beispiel nur die Hautfarbe Schwarzer Menschen beschreiben, dies aber bei weißen Menschen nicht tun, verstärkt es das Bild der Welt der weißen Dominanzgesellschaft. Wenn wir also Hautfarbe beschreiben, macht es Sinn, verschiedene Hautfarben zu beschreiben, um kein Othering zu betreiben.

Hautfarben beschreiben – reicht das?

Je nachdem, was für einen Roman du schreibst, reicht es nicht unbedingt, nur die Hautfarbe zu beschreiben. In einer fiktiven Welt können wir uns alles ausdenken, auch gleichwertige Behandlung von Menschen verschiedener Hautfarben. Dem zugrunde muss aber auch eine gewisse Ausgeglichenheit von Machtverhältnissen liegen. Wenn nur weiße Menschen Machtpositionen besitzen, gibt es in dieser fiktiven Welt genauso viel Rassismus wie in unserer Welt. Außerdem gehen auch andere Merkmale mit gewissen Wurzeln einher, zum Beispiel die Beschaffenheit der Haare Schwarzer Menschen. Da passt es einfach nicht, wenn eine Schwarze Figur, die nicht sonderlich auf ihr Äußeres achtet, im Buch mit schwarzem, glattem Haar beschrieben wird, denn dafür müsste ein chemischer Glättungsprozess der Haare vorangegangen sein (Relaxing). 

Hautfarben beschreiben und Mikroaggressionen
Die wunderschöne Illustration ist von Selene Mariani (IG: @seleneschreibt); und die Postkarte gibt es bei dem Magazin »Literarische Diverse«.

Andere Wege, kulturelle Vielfalt darzustellen

Darüber hinaus kannst du kulturelle Vielfalt zusätzlich über andere Mittel darstellen, als nur die Haut zu beschreiben, wie über Namen oder Speisen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten, denn das passt nicht immer. Ich kann auch einen deutschen Namen haben und BIPoC sein. Ob Adoption, mixed oder was auch immer – da gibt es viele Wege. Und eine Person mit japanischen Wurzeln isst nicht immer nur Ramen und Sushi. Also auch da ist Vorsicht geboten. Einen sehr informativen und wichtigen Artikel zu weiteren kulturellen Markern findet ihr von Nora Bendzko auf Tor Online.

Außerdem ist die Wortwahl auch hierbei immer wieder wichtig. Angela Chadwick beschreibt in ihrem Roman »XX« aus der Perspektive ihrer Protagonistin eine Frau auf Basis ihres Äußeren als Chinesin. Dabei weiß sie gar nicht, ob sie Chinesin ist. Sie spricht fließend amerikanisch, lebt mit ihrer Ehefrau in England. Sie könnte genauso gut Engländerin sein. Worauf sie sich eigentlich bezieht, sind die chinesischen Wurzeln. Zudem verwendet sie keine Wörter wie »vermutlich«, sondern stellt es wie einen Fakt dar. Die Implikation, dass sie nicht englisch ist, ist hier eine Mikroaggression.

Probleme beim Beschreiben von Hautfarben

Fetischisierung

Viele von uns tendieren dazu, beweisen zu wollen, wie offen und sensibel wir sind und manchmal zeigt sich das in übertriebener Weise, bis hin zur Fetischisierung. Oft wird mittelbraune bis dunkelbraune Haut mit Lebensmitteln beschrieben, zum Beispiel Schokolade oder Karamell. Das hebt die Hautfarbe wiederum so sehr hervor, dass es fetischisierend wirkt. Fetischisierung von BIPoC ist nichts Gutes, denn das zieht Folgen von Übersexualisierung, bis hin zu Gewalt nach sich.

Es ist allerdings etwas anderes, wenn Schwarze Autor*innen in einem BIPoC-Setting das selbst tun, so macht das zum Beispiel Bernardine Evaristo in Girl, Woman, Other. Da aber selbstverständlich auch weiße Menschen dieses Buch lesen, schließen viele von ihnen fälschlicherweise schnell darauf, dass es deshalb auch okay wäre, diese Wörter zu verwenden.

Negative Vergleiche

Triggerwarnung: Verletzende Vergleiche von Hautfarben

Auf der Suche nach kreativen Wörtern können unpassende Vergleiche entstehen. Vergleiche mit Altglas, Schlamm, vertrockneten Blättern sind negativ konnotiert und wirken dadurch immer rassistisch. Diese sollten vermieden werden.

Hautfarben von Schwarzen Menschen beschreiben und Tabuwörter

Hierfür verweise ich auf eine Beschreibung des NdM-Glossars:

Der kolonialistische Begriff »Farbige/farbig« ist eine freie Übersetzung der eigentlichen Selbstbezeichnung People of Color, was im Deutschen wegen der negativen Konnotation nicht funktioniert. Viele PoC lehnen die Begriffe »Farbige« oder »Dunkelhäutige« ab, da es laut der Initiative »der braune mob e. V.« (Deutschlands erste Schwarze media-watch-Organisation) nicht um »biologische« Eigenschaften, sondern gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten geht. Oft wird Schwarz und Weiß dabei entweder beides groß oder Schwarz groß und weiß klein und kursiv geschrieben.

Wie beschreibe ich Hautfarben sensibel?

Wenn du dich dazu entschieden hast, Hautfarbe zu beschreiben, stehst du vor der großen W-Frage. Denn selbstverständlich willst du nicht verletzend beschreiben.

Weniger ist mehr, in vielerlei Hinsicht. Es ist ein genereller Anfänger*innenfehler, nach besonderen Wörtern, Metaphern oder abgehobenen Vergleichen zu suchen, die kein Mensch versteht und das Manuskript damit zu schmücken. Der Sinn von Beschreibungen ist, dass die Lesenden sich das Beschriebene besser vorstellen können. Einfache Farbbenennungen reichen beim Beschreiben von Hautfarben völlig aus und damit fährst du meistens sicher.

Ein weiterer Punkt ist die Nebensächlichkeit der Beschreibung von Hautfarbe. Wenn die Hautfarbe nicht gerade thematisiert wird, empfiehlt es sich, sie möglichst so beiläufig zu erwähnen, dass sie nicht hervorgehoben wird und dadurch Othering entsteht. Das geht gut, wenn du deine Lesenden an derlei Beschreibungen gewöhnst. Gleichzeitig ist dabei eine weitere Schreibregel wichtig im Blick zu behalten: Wenn das Äußere nicht gerade storyrelevant ist, versuche es mit Handlungen und Gedanken der Figur, aus deren Perspektive du schreibst, zu verweben (falls du aus der personalen Perspektive schreibst).

 

Beispiel: »Die vielen Ringe an ihren dunkelbraunen langen Finger klackten aneinander, als sie mir einen Fussel von der Schulter zupfte.«

Beschreiben der Hautfarben von Menschen mit ostasiatischen oder indigenen Wurzeln

Während »braun« und »dunkelbraun« neutrale Farbbeschreibungen von Haut sind, ist es anders mit den Farben Gelb und Rot, die hin und wieder bei Menschen mit ostasiatischen oder indigenen Wurzeln verwendet werden. Erstens ist die Hautfarbe nicht knallgelb und erst recht nicht rot. Zweitens würde das auf ungesunde Zustände hinweisen: Gelb auf Leberkrankheit und Rot auf ungesunde Durchblutung. Durch die Assoziation mit etwas Krankhaftem kommt eine negative Konnotation durch das Beschreiben der Hautfarbe in Rot oder Gelb auf. Da empfehle ich zur Verdeutlichung der Herkunft auf die oben erwähnten kulturellen Marker (siehe Noras Artikel) zurückzugreifen. Das heißt nicht, dass die Hautfarbe nicht beschrieben werden kann. Menschen mit ostasiatischen oder indigenen Wurzeln können auch beiläufig blass sein, die dunklen Haare können sich auf der hellen Haut absetzen und auch die Erwähnung gebräunter Haut lässt darauf schließen, dass es nicht der Normzustand der Haut ist.

 

Hautfarben beschreiben und Recherche
Sensibel Hautfarben beschreiben beginnt mit Recherche. Das müssen nicht nur Sachbücher, sondern können auch inklusive Romane aus dem eigenen Genre sein.

Verallgemeinern ist immer schwierig

Unsere Geschichten sind alle unterschiedlich, daher ist es schwer und schlicht und einfach unmöglich, alles auf eine Regel herunterzubrechen. Es wird immer wieder Ausnahmen geben. Vielleicht gibt es eine Perspektive, in der eine Hautfarbe bewusst negativ konnotiert beschrieben wird, damit das im Anschluss hinterfragt werden kann. Und gerade dabei kann es sich um ein antirassistisches Buch handeln. Daher ist ein Sensitivity Reading auch so wichtig. Der Einzelfall muss untersucht werden, mit Hinblick auf die Geschichte. Ich benutze in diesem Artikel zum Beispiel auch die Wörter »Schwarze Menschen« und »weiße Menschen«, spreche dabei aber nicht von der Hautfarbe, sondern dem politischen Konstrukt gesellschaftlicher Zugehörigkeiten und beziehe mich bei der Verwendung dieser Ausdrücke deshalb separat auf die Hautfarbe. Je nachdem, was in einem Buch gemeint ist, können diese Wörter passen oder nicht. In einem Contemporary Roman, in dem wir vom politischen Konstrukt »Schwarze Menschen« sprechen, können wir diese Wörter so verwenden (aber auch hier nicht immer, wenn es Othering darstellt und an der Stelle irrelevant ist). In einem High-Fantasy-Roman geht das nicht, wenn es das politische Konstrukt in der Welt nicht gibt, da es keine reelle Hautfarbe bezeichnet.

 

Nicht den Mut verlieren!

Das mag alles sehr komplex klingen – ist es auch. Aber lass dich davon nicht einschüchtern. Halte dich beim Beschreiben von Hautfarben am besten an neutrale Farben und vermeide negative Konnotationen. Und wie immer empfehle ich hier noch einmal das Sensitivity Reading, bei dem wir das Glück haben, inzwischen eine riesige Auswahl an Menschen zu haben, die diese Leistung anbieten. Du findest es nicht nur bei mir auf bestimmte Themen bezogen, sondern auch bei vielen anderen, wie auf der genialen Seite sensitivity-reading.de.

Ich bin Xenia - Autorin, zertifizierte Freie Lektorin, Social Media Expertin und Übersetzerin. Ich liebe es, Storys in allen Formen zu konsumieren, zu analysieren und zu erzählen - Bücher, Fotografie, Filme und Serien. Wenn du & ich zusammen arbeiten, sollst du dich wohl fühlen. Du kannst mir alle Fragen zu deiner Geschichte stellen - du befindest dich bei mir in einem Safe Space, einem Ort, an dem du dich sicher fühlen kannst. Aufgrund meiner jahrelangen, dramaturgischen Ausbildung ist mein Inhaltslektorat sehr intensiv - denn ich möchte dein Juwel mit dir schleifen. Gleichzeitig ist mein Lektorat aber auch sensibel - denn dein Juwel soll nicht zertrümmert werden.

2 Kommentare

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.